Interview

Keine Denkverbote

Warum die Gemeinde Wadgassen auf Solar 100 setzt

mit Sebastian Greiber, Bürgermeister Wadgassen

Foto: Gemeinde Wadgassen

Foto: Gemeinde Wadgassen

Sebastian Greiber, Bürgermeister von Wadgassen, spricht im Interview über die Bedeutung der Energiewende für seine Gemeinde. Er erläutert, wie Wadgassen durch Rekommunalisierung und das innovative Projekt Solar 100 eine nachhaltige und zukunftssichere Energieversorgung anstrebt. Dabei hebt er die Wichtigkeit kreativer Lösungen und schneller Entscheidungswege hervor und gibt Tipps, wie auch andere Gemeinden den Herausforderungen der Wärmewende erfolgreich begegnen können.

Herr Greiber, stellen Sie uns sich und Ihre Gemeinde Wadgassen einmal kurz vor.

Meine Name ist Sebastian Greiber und ich habe als jüngster Bürgermeister des Saarlands vor knapp zehn Jahren mein Amt in der Gemeinde Wadgassen angetreten. Zwischen Saarbrücken und Saarlouis gelegen ist unsere Umgebung sehr industriell geprägt, Wadgassen selbst aber eine größtenteils vorstädtisch geprägte Wohn- und Pendlergemeinde mit 18.000 Einwohnern angesiedelt auf kompakten 27 Quadratkilometern. Die kurzen Wege sorgen dafür, dass hier jeder jeden kennt und eine sehr positive Dynamik und starke Gemeinschaft entstanden ist, auf die wir alle sehr stolz sind.

 

Welche Bedeutung spielt die Energiewende in Ihrer Gemeinde?

In den letzten Jahren haben wir durch verschiedene Krisen viele Veränderungen erlebt. Seit der Corona-Pandemie arbeiten viele Menschen von zu Hause, was die Lebens- und Arbeitswelt verändert hat. Dies hat uns dazu gebracht, über die Zukunft unserer Gemeinde und die Ansprüche zukünftiger Generationen nachzudenken, besonders als Wohn- und Pendlergemeinde, in der tagsüber kaum jemand vor Ort war. Die Digitalisierung und Energiewende sind dabei zwei ganz zentrale Themen, die Hand in Hand gehen. Vor etwa zehn Jahren haben wir hier bereits wichtige strategische Entscheidungen getroffen und Teile unserer Infrastruktur rekommunalisiert. Wir sind nun Eigentümer unserer Energie- und Versorgungsnetze und betreiben und vermarkten unseren Strom erfolgreich – mit einem Marktanteil von 40%.

Der Wunsch diese Autarkie auszubauen und natürlich auch die Vorgaben des Bundes haben uns motiviert, über die eigene Erzeugung nachhaltiger Energien nachzudenken. Da wir keine großen Gewerbeflächen haben und vor allem auf die Einkommensteuer angewiesen sind, sind wir natürlich auch daran interessiert einkommensstarke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gerade junge Familien, anzuziehen. Gerade diese stellen wiederum sehr hohe Ansprüche an Infrastruktur und Nachhaltigkeit. Auch deshalb treiben wir die klimaneutrale Energieversorgung voran, um ein attraktives Umfeld zu schaffen und langfristig als Gemeinde erfolgreich zu bleiben.

 

Beschreiben Sie uns das Projekt Friedrichweiler und die damit verbundene Herausforderung?

Friedrichweiler, unser kleinster Ortsteil, hat kein Gasnetz, was viele Bewohner, die oft noch mit Ölheizungen heizen, vor eine große Herausforderung stellt: wie kann eine zuverlässige Wärmeversorgung der Zukunft aussehen? Ein Ausbau des Gasnetzes ist definitiv keine zukunftssichere Option und eine flächendeckende Wärmepumpenlösung, aktuell ja oft die Allzwecklösung, aufgrund der Netzbelastung und hohen Investitionskosten nicht praktikabel.

Um den ländlichen Raum nicht weiter zu benachteiligen, benötigen wir deswegen eine überzeugende Alternative. Als Gemeindewerke müssen wir dabei ebenfalls bedenken, ob wir unser Geld in einen Stromnetzausbau investieren, der sich niemals refinanzieren lässt, oder ob es nicht andere, nachhaltigere Möglichkeiten gibt. So entstand die Idee eines Wärmenetzes für Friedrichweiler als ein wichtiger Schritt hin zu einer klimaneutralen und wirtschaftlich tragbaren Energieversorgung.

 

Wie sind Sie als Gemeinde dieses Projekt konkret angegangen?

In unserer Gemeinde lassen wir uns nicht von Denkverboten einschränken und denken zu Beginn auch nie in Budgets, da dies oft die Kreativität begrenzt. Wir haben stattdessen als Erstes viel Zeit in die bundesweite Suche nach innovativen Partnern investiert und sind dabei auf sinnogy gestoßen. Schon nach dem ersten Gespräch war klar, dass unsere Denkweisen gut zusammenpassen.

In den gemeinsamen Gesprächen entstand dann die Idee, ein Nahwärmenetz in der Form von Solar 100 (es wird ausschließlich Sonnenwärme als Wärmequelle genutzt) zu betreiben, das vollständig regenerativ ist. Eine Idee, die mich von Anfang an fasziniert hat, da sie ein Beispiel dafür ist, das selbst vermeintlich verrückte Ideen realisierbar sind. Ich bin überzeugt, dass es eine offene und kreative Herangehensweise an so ein Projekt benötigt, um echte und funktionierende Innovationen erst möglich zu machen.

 

Welche Vorteile sehen Sie für Ihre Gemeinde durch Solar 100?

Der große Vorteil von Solar 100 liegt in der langfristigen Sicherheit und Zuverlässigkeit der Technologie, die trotz exotischem Namen auf, vereinfach ausgedrückt, bewährten Komponenten wie Rohren, Wasser und Pumpen basiert. Sie ist im Gegensatz zu weniger erprobten Innovationen darum sehr zuverlässig und langlebig. Außerdem fallen nach der anfänglichen Investition kaum laufende Kosten an, da die Technologie weitgehend wartungsfrei ist.

Ein weiterer Vorteil ist die Preisstabilität. Während die Energiemärkte in den letzten Jahren sehr volatil waren, bietet Solar 100 langfristige Preisstabilität und schützt darum unsere Haushalte vor Preisschwankungen. Zudem ist die Technologie emissionsfrei. Somit investieren wir in eine hundertprozentig regenerative und stabile Wärmeversorgung für die nächsten Jahrzehnte.

 

Als kleine Gemeinde ein eigenes Stadtwerk zu besitzen – wie ist das möglich?

Einfach trauen. Man muss den Mut haben, sich gegen große Energiekonzerne zu behaupten, die natürlich der Rücknahme der Konzession nicht freiwillig zustimmen. Auch das Vertrauen in die eigenen Mitarbeitenden, um das notwendige Know-how für die Rolle als Verteilnetzbetreiber aufzubauen, ist entscheidend. Kein einfacher Prozess, aber wir haben es geschafft.

Wichtig ist, dass wir dabei schrittweise vorgegangen sind. Über zehn Jahre hinweg haben wir uns einen Bereich nach dem anderen vorgenommen. Die Ausdauer hat sich ausgezahlt, der Zugriff auf die Infrastruktur ist für uns als Gemeinde heute wie ein Sechser im Lotto. Wir können so unsere Prozesse im Querschnitt aus der Sicht einer großen Familie betrachten, wodurch wir die größtmöglichen Synergien und den besten Nutzen erzielen. Dazu bleibt die komplette Wertschöpfung innerhalb der Gemeinde und wir können nachhaltig und selbstbestimmt wirtschaften. So sind wir heute bestens auf die Herausforderungen der Energiewende vorbereitet.

 

Wie wichtig sind in dem Kontext schnelle Entscheidungswege?

Schnelle Entscheidungswege sind bei komplexen Herausforderungen wie der Energiewende enorm vorteilhaft. Unsere Rekommunalisierungsstrategie und der damit verbundene direkte Zugriff auf die unterschiedlichen Sparten haben uns hier natürlich sehr geholfen. Ebenfalls wichtig ist aber die flache Hierarchie und die Delegation von Entscheidungskompetenzen, die wir im Rahmen unserer „Smartgassen“-Strategie eingeführt haben, um schneller reagieren zu können. Unterstützt von vertrauensbildenden Maßnahmen und weniger Kontrollen haben wir uns so ein sehr effizientes Umfeld geschaffen. Dies erforderte natürlich ein Umdenken in der kommunalen Verwaltung, zahlt sich aber langfristig nicht nur bei der Umsetzung der Energiewende aus.

 

Welche nützlichen Tipps können Sie anderen Gemeinden, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern auf Basis Ihrer Erfahrungen mitgeben?

Es gibt natürlich keine „One-Size-Fits-All“-Lösung, da die Gegebenheiten vor Ort stets unterschiedlich sind. Ein wichtiger Tipp ist aber, sich wirklich aktiv mit dem Thema Energiewende zu beschäftigen. Ich weiß, dass viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im täglichen Verwaltungsalltag genug zu tun haben und darum solche Themen oft lieber an externe Partner delegieren. Ich bin aber überzeugt davon, dass es sich lohnt selbst aktiv zu werden. Langfristig bringt dies einfach immense finanzielle und zukunftssichernde Vorteile.

Mein Rat wäre also einfach anzufangen und sich kreative Partner zu suchen, um Lösungen zu entwickeln, die den eigenen speziellen Anforderungen entsprechen. Eine Investition in die eigene Versorgungsinfrastruktur stärkt ebenfalls die Autarkie und Resilienz der Gemeinde. Entscheidend ist aber vor allem, solch ein Projekt immer im Querschnitt mit dem Rest der Aufgaben einer Gemeinde zu betrachten. Nur so werden keine wichtigen Aspekte übersehen, die am Ende nur unnötig Zeit- und Kostenaufwand verursachen.

 

Wie geht das Projekt Friedrichweiler jetzt weiter?

Wir sind im letzten Schritt der Machbarkeitsstudie und untersuchen nun noch im Rahmen der Bürgerbeteiligung angesprochene Alternativen. Es ist sehr wichtig, mit klaren Fakten zu belegen, dass Solar 100 die beste Lösung ist. Innovation ruft immer auch Skepsis hervor, daher nehmen wir alle Bedenken ernst und wägen sorgfältig ab. Wenn dann bestätigt ist, dass die Solar 100 Lösung optimal für Friedrichweiler ist, erfolgt als nächstes die Fachplanung. Idealerweise erfolgt der Startschuss für die Umsetzung dann spätestens im kommenden Jahr. Ich freue mich bereits riesig auf den Spatenstich, da dieses Projekt ein großer Meilenstein für unsere Gemeinde und für uns ein wirklich bedeutender Schritt in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung sein wird.

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