Autor: Harald Schäffler

Was ändert sich eigentlich im Kern, wenn wir die gesamte Energieversorgung hin zur Klimaneutralität transformieren? Worin unterscheiden sich die Versorgungssysteme, gerade im Bereich der Wärmeversorgung, wenn wir von Kohle, Öl und Gas auf Sonnen- und Erdwärme umsteigen? Und was folgt daraus für die Planung und Umsetzung von Wärmenetzen? Zu diesen Fragen möchte ich in einer losen Serie von Blogbeiträgen einige persönliche Gedanken vorstellen.

Grundunterscheidung 5 – Leistung vs. Arbeit

Wie im letzten Blog schon erläutert, können fossil befeuerte Anlagen im Wesentlichen nach dem jeweiligen Leistungsbedarf des Gebäudes bzw. des Quartiers bei Wärmenetzen dimensioniert werden. Praktisch ist dabei, dass z.B. bei einem Gasbrennwertkessel die Kosten mit steigender Leistung kaum ansteigen. Von daher wurden die Kessel gerne überdimensioniert. Der Brennstoff, also die „Arbeit“, wie die Energie des Brennstoffs auch genannt wird, kommt aus dem Gasnetz oder dem Öltank. Das Gasnetz ist dabei praktisch ein unendlich großer Speicher und nicht limitiert, allenfalls in der Anschlussleistung, nicht aber in der Arbeit.

Bei Wärmequellen ist die Situation hingegen deutlich komplexer. Grundwasserbrunnen z.B. verfügen über eine klar begrenzte Entzugsleistung, die sich aus der Schüttung und der erlaubten Abkühlung (3 bis 5 K) berechnet. Diese Leistung könnte – theoretisch – dauerhaft, also 24/7 entzogen werden. Eine sehr hohe Entzugsarbeit ist dadurch möglich. Diese müsste aber für den Heizfall gespeichert werden, was aufgrund der niedrigen Quelltemperatur von ca. 10° wirtschaftlich keinen Sinn macht.

Erdwärmesonden wiederum verhalten sich gänzlich anders. Sie sind auch in ihrer dauerhaften Entzugsleistung begrenzt, können aber durchaus auch mal kurzfristige Leistungsspitzen abdecken. Wird die „dauerhafte Leistung“ allerdings dauerhaft überschritten, vereist die Erdwärmesonde recht schnell und geht kaputt. Die Dimensionierung wiederum erfolgt daher auf Basis einer Mischung aus Leistung und Arbeit, kalkuliert aus Heizlast und monatlichen Vollbenutzungsstunden. Nach der Heizzeit benötigen Erdwärmesonden wiederum eine Regenerationszeit, in der das umliegende Erdreich wieder aufgewärmt wird. Würden Erdwärmesonden wie ein Grundwasserbrunnen 24/7 genutzt, würden sie umgehend vereisen.

Solarthermische Anlagen in Verbindung mit einem saisonalen Wärmespeicher werden hingegen auf die benötigte Arbeit hin dimensioniert. Denn die Leistung im Heizungsfall wird aus dem Speicher bezogen und kann – wie bei einem Heizkessel – sehr großzügig ausgelegt werden. Doch im Speicher steckt nur eine bestimmte Arbeit und wenn diese im Verlauf eines Winters aufgebraucht ist, ist der Speicher „leer“. Bei einem Wärmenetz mit überwiegend solaren Wärmequellen macht daher ein leistungsbezogener Grundpreis wirtschaftlich gar keinen Sinn, da die Spitzenleistung eben kein limitierender Faktor ist, sondern nur die Jahresarbeit, die das Gebäude benötigt.

Bei Wärmepumpen wiederum ist die Leistung ein wesentlicher Kostenfaktor. Die spezifischen Kosten pro kW nehmen zwar mit steigender Wärmepumpenleistung deutlich ab, aber eine Wärmepumpe mit rund 50 kW kostet immer noch das rund 1,5-fache im Vergleich zu einer 25 kW Wärmepumpe. Daher lohnt es sich, gerade bei Bestandsgebäuden, die Wärmepumpe im Vergleich zu dem bisher installierten Gaskessel, deutlich kleiner zu dimensionieren. Statt kurzen Heizintervallen mit Spitzenlast, bringt die Wärmepumpe die „Arbeit“ als „Dauerläufer“ ins Gebäude, also mit geringerer Leistung, aber mit deutlich längerer Laufzeit als der Gaskessel. Praxisberichte zeigen, dass – bei einer intelligenten Steuerung – Wärmepumpen durchaus bis zu 50 % kleiner ausgelegt werden können als die bisherigen Heizkessel.

Die Beispiele machen deutlich, dass bei der Planung künftig Arbeit und Leistung – und zwar sowohl der Wärmequellen wie auch der Wärmelasten – im Detail betrachtet werden müssen. Bei Bestandsgebäuden sollten die Leistungskennwerte der bisherigen Kesselanlagen nicht 1 zu 1 auf die neuen Wärmeanlagen übertragen, sondern im Detail geprüft werden, welche Leistungen bei einer intelligenten Betriebsführung tatsächlich noch erforderlich sind. Denn am Ende kommt es auf die „Arbeit“ an, also auf die Energie bzw. Wärme, die einem Gebäude zugeführt werden muss, um sich darin wohlzufühlen.

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