Autor: Harald Schäffler
Was ändert sich eigentlich im Kern, wenn wir die gesamte Energieversorgung hin zur Klimaneutralität transformieren? Worin unterscheiden sich die Versorgungssysteme, gerade im Bereich der Wärmeversorgung, wenn wir von Kohle, Öl und Gas auf Sonnen- und Erdwärme umsteigen? Und was folgt daraus für die Planung und Umsetzung von Wärmenetzen? Zu diesen Fragen möchte ich in einer losen Serie von Blogbeiträgen einige persönliche Gedanken vorstellen.

Grundunterscheidung 3 – Rezente Vorräte

Im letzten Blogartikel haben wir aufgezeigt, dass fossile Vorräte und rezente Quellen fundamental anders genutzt werden. Fossile Energievorräte, wie z.B. Erdgasfelder, sind aus Nutzersicht sehr bequem, weil hochkonzentriert und scheinbar noch unendlich verfügbar, aber mit ungelösten und aktuell sprichwörtlich „brennenden“ ethischen und politischen Verteilungsfragen verbunden. Rezente Energiequellen hingegen, wie z.B. Solarthermie, können von allen Generationen gleichermaßen genutzt werden. Doch benötigen wir dafür Flächen, Speicher und die Bereitschaft, uns an die fluktuierende Verfügbarkeit zumindest etwas anzupassen.

Doch es gibt eine dritte Art von Energievorräten, die die Eigenschaften von rezenten Quellen und fossilen Vorräten vereinen: rezente Vorräte, wie z.B. Biomasse und Erdwärme.

Beispiel 1 – Biomasse

Ein Spaziergang durch einen Wald macht es offensichtlich: Bäume sind „Vorräte“ und „Quelle“ in einem. Sie nutzen die Sonnenenergie, um wie eine Quelle kontinuierlich Biomasse zu erzeugen, die wir dann als Bau- und Brennstoff nutzen können. Hierbei haben wir wie bei Vorräten gewisse Freiheitsgrade. Wir können den Einschlag für ein paar Jahre reduzieren, um einen höheren Vorrat anzusparen. Oder umgekehrt können wir in einem Jahr etwas mehr einschlagen, um danach Pause für die Regeneration zu machen. Doch schlagen wir zu viel ein, reduziert sich die „Quellleistung“, denn die Baumstämme sind Vorrat und zugleich Erzeugungsanlage. Ein gänzlicher Kahlschlag kann zur dauerhaften Vernichtung der Erzeugungsleistung führen, was wir in unserer Geschichte in Europa ja schon häufig erlebt haben. Nicht verwunderlich ist daher, dass der Begriff der „Nachhaltigkeit“ im Sinne einer über Generationen gerechten Nutzung der Wälder aus der Forstwirtschaft stammt.
Sonne und Wolken

Rezente Energievorräte, wie z.B. Biomasse, kombinieren die Eigenschaften von rezenten Quellen und fossilen Vorräten: Die Nutzung ist dauerhaft möglich, aber gleichzeitig in gewissen Grenzen variierbar.

Beispiel 2 – Erdwärme

Während Biomasse ein Beispiel für einen Vorrat mit Quelleigenschaften ist, ist die oberflächennahe Erdwärme ein Beispiel für eine Quelle mit Vorratseigenschaften. Wenn wir z.B. durch Erdwärmesonden Wärme aus dem Erdreich entziehen, können wir über die Heizperiode einen gewissen Abfall der Erdtemperatur beobachten. Das heißt, wir ziehen in der Heizperiode aus dem unmittelbaren Umfeld der Erdwärmesonde mehr Wärme raus, wie in der gleichen Zeit durch natürliche Prozesse aus der weiteren Umgebung nachströmen kann. In der heizungsfreien Zeit wird die Abkühlung durch das Nachströmen dann wieder ausgeglichen, so dass zu Beginn der nächsten Heizperiode wieder die fast gleiche Ausgangstemperatur verfügbar ist. Zudem ist es mit Erdwärmesonden möglich, auch kurzfristig höhere Leistungsspitzen aus dem Boden zu entziehen, die anschließend durch längere „Regenerationsphasen“ wieder ausgeglichen werden können.

Kühlen wir allerdings die Erdwärmesonde zu stark ab, dann vereist das Füllmaterial um die Erdwärmesonde herum und bricht. Die Folge: Der Wärmeübergang fällt ab und die Sonde ist nicht mehr nutzbar.

Erdwärmesonden sind also ein gutes Beispiel für eine Quelle mit Vorratseigenschaften, die wir in Grenzen flexibel nutzen können. Im Unterschied zu einem Wald können wir aber keinen „Erdwärmevorrat“ über mehrere Jahre ansparen. Andererseits geht Erdwärme bei einer Übernutzung nicht „kaputt“, sondern nur unsere Sonde, die wir aber erneuern können.

Fazit

Rezente Vorräte kombinieren in gewisser Weise Eigenschaften von fossilen Vorräten mit rezenten Quellen. Nachhaltig bewirtschaftet, können sich viele Generationen daran erfreuen. Gleichzeitig sind sie aber flexibler nutzbar als z.B. Solarthermie oder Windkraft, deren Energie immer nur im Hier und Jetzt genutzt werden kann. Die erzeugten Vorräte können angespart und in Grenzen auch mal übernutzt werden, wenn anschließend Zeit zur Regeneration gegeben wird. Eine unkontrollierte Übernutzung kann aber zur völligen Zerstörung führen. Deshalb brauchen wir auch hier ethische und politische Nutzungsregeln, wie ja die kontroverse Debatte zur Biomassenutzung in Deutschland und Europa belegt.

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