Im letzten Blogbeitrag haben wir eine kurze Netztypologie vorgestellt, um Neubau-, Ausbau- und Transformationsnetze zu differenzieren. In diesem Blogbeitrag betrachten wir eine weitere Netztypologie, nämlich die Unterscheidung der Wärmenetze gemäß ihrer Vorlauftemperatur und welche Vor- und Nachteile die jeweiligen Netzkonzepte haben.

Ein umfassendes Kompendium des Vergleichs gibt es in unserer neuen Community „Wärmewende“, siehe hierzu den Blogbeitrag zum Webseminar.

Die Vorlauftemperatur

Im Markt gibt es sehr unterschiedliche Bezeichnungen für Wärmenetze in Abhängigkeit von der jeweiligen Vorlauftemperatur. In unserer Projektarbeit hat sich allerdings folgende Unterscheidung bewährt:

    • Als kalte Wärmenetze bezeichnen wir Wärmenetze, deren Vorlauftemperatur so gering ist, dass die Wärme in den Gebäuden angehoben werden muss, in der Regel durch eine Wärmepumpe. Die Vorlauftemperatur bewegt sich in einem Bereich von ca. 0 °C bis ca. 25 °C. Das kalte Wärmenetz kann – je nach Vorlauftemperatur auch als Kältequelle für Klimaanlagen und im Sommer für eine Raumkühlung genutzt werden. Das Wärmenetz kann auch als „Quellnetz“ bezeichnet werden, weil es quasi die Wärmequelle an die Bordsteinkante der jeweiligen Gebäude „liefert“.
    • Als warme Wärmenetze bezeichnen wir Wärmenetze, deren Vorlauftemperatur so hoch ist, dass man damit Niedertemperaturheizungen (ca. 30 °C) in den Gebäuden direkt versorgen kann. Für die Trinkwarmwasserbereitung ist allerdings eine Vorlauftemperatur von 50 bis ca. 60 °C erforderlich. Hierfür werden z.B. Booster-Wärmepumpen oder Durchlauferhitzer genutzt, die das Wärmenetz als Wärmequelle nutzen. Auch wenn das Gebäude keine Flächenheizung, sondern die üblichen Hochtemperaturheizkörper hat, kann mit Booster-Wärmepumpen das erforderliche Heiztemperaturniveau bereitgestellt werden. Das warme Wärmenetz kann auch gleitend gefahren werden, das heißt im Winter mit einer höheren Vorlauftemperatur zum Heizen, im Sommer mit einer niedrigeren Vorlauftemperatur, die auch eine Raumkühlung ermöglicht.
    • Als heiße Wärmenetze bezeichnen wir Wärmenetze, deren Vorlauftemperatur so hoch ist, dass man damit sowohl eine Hochtemperaturheizung wie auch die Trinkwarmwasserbereitung direkt versorgen kann. Eine zusätzliche Wärmeerzeugung in den Gebäuden ist nicht erforderlich. Ein heißes Wärmenetz liefert auch im Sommer die erforderlichen hohen Vorlauftemperaturen für die Trinkwarmwasserbereitung. Eine Raumkühlung mit dem Wärmenetz ist – ohne zusätzliche Erzeugungsanlage im Gebäude – nicht möglich.

Jedes Netzkonzept hat verschiedene Vor- und Nachteile. Die Ausarbeitung eines möglichst passenden Netzkonzepts ist daher eine der zentralen Aufgaben einer Machbarkeitsstudie. Bewertet werden müssen u.a.

    • die Art, Potential und örtliche Lage der verfügbaren Wärmequellen (Erdwärme, Aquawärme, Solare Wärme, Abwärme, Abwasser, …)
    • die Gebäudetypologie der zu versorgenden Gebäude (Neubau, Bestand, Wohnbau, Gewerbe, Kommunal, Heizungen im Bestand, Sanierungsquote, … )
    • Geschäftsmodelle (Versorgermodell, Kommunalmodell, Genossenschaft, …)
    • Realisierungszeitplan (Aufsiedlungszeit, Bauzeiten, … )

Im Folgenden skizzieren wir einige der wesentlichen Vor- und Nachteile der jeweiligen Netzkonzepte.

Vor- und Nachteile von kalten Wärmenetzen

    • Platzbedarf: Kalte Wärmeleitungen haben nur eine geringe Temperaturspreizung von ca. 4 K im Vergleich zu heißen Wärmenetzen von 20 bis 30 K. Dadurch erfordern sie für die gleiche Wärmeleistung einen größeren Durchmesser im Straßenraum als warme Wärmenetze. In den Gebäuden wird eine kompakte Hausübergabestation plus eine Wärmepumpe mit Pufferspeicher erforderlich. Diese benötigen im Bestand häufig den gleichen Platz wie die bisherigen Heizungen, sparen aber auch nichts ein. Vorteil ist, dass kalte Wärmenetze, wenn sie als passive Netze ausgelegt sind, also ohne zentrale Umwälzpumpe, lediglich eine kleine Technikzentrale für die Anlagen der Netzbetriebsführung (Pumpen, Nachfülleinrichtungen und MSR) erfordern. Diese Technikzentrale kann oberirdisch oder auch im Boden versenkt errichtet werden und erfordert entsprechend wenig Platz.
    • Effizienz: Hier bieten kalte Wärmenetze einen großen Vorteil, denn der Temperaturanhub erfolgt erst im Gebäude. Hierdurch gibt es keine Wärmeverluste im Wärmenetz. Im Gegenteil, das Wärmenetz wirkt als zusätzlicher Kollektor und sorgt für Wärmegewinne. In den Gebäuden kann die Wärme dann passgenau auf die Vorlauftemperatur angehoben werden, die erforderlich ist. Gerade bei Bestandsquartieren verspricht dies eine hohe Effizienz, weil die Gebäude in der Regel sehr unterschiedliche Anforderungen aufweisen. Der erforderliche Wärmestrom kann – zumindest bei Wohngebieten – vielfach durch PV-Anlagen vom eigenen Dach bereitgestellt werden. Die Residuallast muss allerdings durch das Stromnetz geliefert werden. Und hier können bei einem flächendeckenden Ausbau gerade in Bestandsgebieten durchaus Netzengpässe auftreten.
    • Kostenstruktur und Investitionsrisiko: Kalte Wärmenetze erfordern keine Dämmung und statt Stahlrohre aufwendig zu schweißen, können langlebige Kunststoffrohre mit geringem Montageaufwand verlegt werden. Dies reduziert die spezifischen Kosten pro Trassenmeter. Auf der anderen Seite sind die gebäudeindividuellen Wärmepumpenanlagen deutlich teurer im Vergleich zu Großwärmepumpen. Das Investitionsrisiko ist bei einem kalten Wärmenetz allerdings relativ gering. Die Quellenanlagen, zumindest bei Erdwärmesonden, kann im Zuge des wachsenden Wärmebedarfs ausgebaut werden und in die Wärmepumpen wird erst investiert, wenn das Gebäude an das Wärmenetz angebunden wird. Was am Ende überwiegt, die Kostenvorteile oder die Kostennachteile, ist stark projektabhängig.

Vor- und Nachteile von warmen Wärmenetzen

    • Platzbedarf: Warme Wärmenetze können mit einer höheren Temperaturspreizung gefahren werden. Dadurch erfordern sie für die gleiche Wärmeleistung einen etwas geringeren Durchmesser im Straßenraum als kalte Wärmenetze, dafür müssen sie auch gedämmt werden. In Bestandsgebäuden ist neben der Hausübergabestation eine kleine Boosterwärmepumpe erforderlich. Diese benötigen aber in der Regel deutlich weniger Platz als die bisherigen Heizungen, also wird etwas Platz eingespart. Für den ersten Temperaturhub ist aber Platz für eine Energiezentrale mit Großwärmepumpen erforderlich. Dies macht insbesondere dann Sinn, wenn Wärme einer zentralen Wärmequelle, wie z.B. einem Abwassersammler, einem Grundwasserbrunnen oder einer gewerblichen Abwärme genutzt werden kann.
    • Effizienz: Warme Wärmenetze kombinieren die Vorteile von kalten und heißen Wärmenetzen. Durch die Dämmung gewinnt man zwar keine Wärme aus dem Untergrund, aber aufgrund der geringen Vorlauftemperatur sind die Wärmeverluste sehr gering, insbesondere wenn das Netz gleitend gefahren wird und im Sommer in den Kühlbetrieb gewechselt wird. In den Gebäuden kann die Wärme dann wie bei einem kalten Wärmenetz passgenau auf die erforderliche Vorlauftemperatur angehoben werden. Der erforderliche Wärmestrom kann auch hier durch PV-Anlagen vom eigenen Dach bereitgestellt werden.
    • Kostenstruktur und Investitionsrisiko: Die spezifischen Kosten pro Trassenmeter von warmen Wärmenetzen hängen sehr stark von den jeweiligen Projektumständen ab, liegen aber häufig zwischen denen von kalten und warmen Wärmenetzen. In den Gebäuden sind wiederum relativ hohe Investitionen für die gebäudeindividuellen Boosterwärmepumpen erforderlich. Hierdurch gibt es aber auch den finanziellen Anreiz, in die Gebäudeeffizienz zu investieren.

Vor- und Nachteile von heißen Wärmenetzen

    • Platzbedarf: Heiße Wärmeleitung bieten die höchste Temperaturspreizung. Dadurch erfordern sie – insbesondere bei hohen Leistungen für große Wärmenetzgebiete – einen geringen Durchmesser im Straßenraum, müssen aber isoliert werden. In den Gebäuden ist wiederum nur eine kompakte Hausübergabestation erforderlich. Diese spart insbesondere im Gebäudebestand deutlich an Platz im Vergleich zu der bisherigen Heizung. Die Energiezentrale wiederum benötigt Platz für die Großwärmepumpen, für die Kesselanlagen und die Brennstofflager.
    • Effizienz: Bei heißen Wärmenetzen stellen die Wärmeverluste einen deutlichen Kostenfaktor dar. Von daher ist eine möglichst gute Dämmung erforderlich. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Wärmenetz die vertraglich vereinbarte Vorlauftemperatur des ineffizientesten Gebäudes am Ende des Netzstrangs erfüllen muss. Geringere Temperaturanforderungen von effizienteren Gebäuden im Netzgebiet können nicht berücksichtigt werden. Die Nachteile fallen allerdings weniger ins Gewicht, wenn klimaneutrale Wärmequellen mit hohen Vorlauftemperaturen, wie z.B. hocheffiziente Solarthermiekollektoren genutzt werden. Vorteilhaft ist wiederum, dass in den Gebäuden kein Wärmestrom für die Wärmepumpen erforderlich ist. Der verfügbare Sonnenstrom kann daher vollständig für die Bewohner und für die E-Fahrzeuge genutzt werden. Engpässe im Stromnetz bei einem flächendeckenden Ausbau sind nicht zu befürchten.
    • Kostenstruktur und Investitionsrisiko: Heiße Wärmenetze erfordern hohe Investitionen in die gemeinschaftlichen Komponenten, also in das Wärmenetz und die Erzeugungsanlagen. Auf der anderen Seite sind die gebäudeindividuellen Investitionen relativ gering. Daher sind heiße Wärmenetze vor allem dann lukrativ, wenn der zu versorgende Wärmebedarf klar bestimmt werden kann und viele Gebäude verbindlich in einem kurzen Zeitraum angeschlossen werden können. Hierdurch sinkt das Investitionsrisiko und die Refinanzierung ist gesichert.

Fazit

Der Vergleich macht deutlich, dass es nicht die EINE Lösung für alle Anwendungsfälle gibt. Welches Netzkonzept vorteilhafter ist, hängt stark von der Art der Wärmequelle, von der Topologie des Versorgungsgebiets, von den verfügbaren Flächen, der Gebäudetypologie und dem Lastprofil sowie von dem Geschäftsmodell und dem Realisierungszeitplan ab. Glaubenskämpfe und einfache Kostenvergleiche bringen hier daher wenig. Vielmehr ist fundiertes Ingenieurshandwerk gefordert. Viele Pionierprojekte in unserer neuen Community „Wärmewende“ zeigen, dass dies vielfach heute schon möglich ist.

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