Folge 1: Fossil vs. erneuerbar

von Harald Schäffler
Was ändert sich eigentlich im Kern, wenn wir die gesamte Energieversorgung hin zur Klimaneutralität transformieren? Worin unterscheiden sich die Versorgungssysteme, gerade im Bereich der Wärmeversorgung, wenn wir von Kohle, Öl und Gas auf Sonnen- und Erdwärme umsteigen? Und was folgt daraus für die Planung und Umsetzung von Wärmenetzen?

Zu diesen Fragen möchte ich in einer losen Serie von Blogbeiträgen einige persönliche Gedanken vorstellen. Anlass ist zum einen die aktuelle politische Diskussion zur kommunalen Wärmeplanung und zum anderen ein kleines persönliches Jubiläum. Denn vor rund 25 Jahren konnte ich meine Dissertation zum Thema „Nachhaltige Energieversorgung als Kriterium der energiepolitischen Technikbewertung“ verteidigen. Die Gedanken und Kernunterscheidungen, die ich hier vorstelle, sind demnach schon vor rund 25 Jahren formuliert worden. Ein guter Anlass, sich daran mal wieder zu erinnern.

Grundunterscheidung: fossil vs. erneuerbar

Ziel der Transformation ist es, alle fossilen Energieträger, wie Kohle, Erdöl und Erdgas, durch 100 % erneuerbare Energien zu ersetzen. Das ist zumindest das vorherrschende Bild in der Energiepolitik und in unserer Umgangssprache. Doch wenn man sich die Begriffe physikalisch genauer anschaut, wird man überrascht.

Zunächst, was heißt eigentlich „fossil“? Fossil bedeutet in den Geowissenschaften „aus der erdgeschichtlichen Vergangenheit stammend“. Damit ist aber noch nichts gesagt über die „Erneuerbarkeit“. Denn Kohle, Erdöl und Erdgas stammen ursprünglich aus Biomasse, also einem Stoff, der auch heute gebildet wird. Diese Biomasse wurde vor Millionen von Jahren hochverdichtet und umgewandelt und kann heute von uns als Brennstoff genutzt werden.

Förderanlage für Erdöl
Physikalisch betrachtet ist das ein (zugegeben sehr langwieriger) Kreislauf, der sich in den kommenden Millionen Jahre wiederholen könnte. Das CO2, das wir aktuell in die Atmosphäre entlassen, könnte wieder in Form von Biomasse gebunden werden, auf den Meeresboden sinken und in Millionen von Jahren von den dann lebenden Geschöpfen wieder aus dem Boden geholt und verbrannt werden. In dem Sinne ist der in Kohle, Erdöl oder Erdgas gespeicherte Kohlenstoff durchaus ein „erneuerbarer“ Energieträger, der genauso wiederholt genutzt werden könnte, wie die Biomasse unserer Wälder, nur eben in sehr viel längeren Zeiträumen.

Der Inbegriff der „erneuerbaren Energien“, die Sonne, hingegen ist keineswegs erneuerbar, wie wir landläufig meinen, sondern – physikalisch betrachtet – gänzlich irreversibel. Denn was wir als Sonnenenergie nutzen, ist eine elektromagnetische Strahlung, die durch die Kernfusion von Wasserstoff zu Helium im Innern der Sonne entsteht. Und dieser Fusionsprozess dauert zwar noch ein paar Milliarden Jahre, wird aber definitiv einmal zu Ende gehen, wenn der Vorrat an Wasserstoff verbraucht ist. Physikalisch betrachtet, ist die Kernfusion und damit die Sonnenenergie irreversibel, also nicht erneuerbar!

Sonne und Wolken
Das Ergebnis zeigt also eine verkehrte Welt:  Kohle ist „erneuerbar“ und Sonnenenergie nicht? Das deutet darauf hin, dass das Gegenteil von „fossil“ eben nicht die „Erneuerbarkeit“ ist.

Also lohnt sich nochmal ein Blick in die Geowissenschaft. Dort findet man den Begriff „rezent“. Umgangssprachlich kennt man “rezent“ üblicherweise als geschmacklichen Ausdruck in Sinne von herzhaft, pikant oder säuerlich. In den Geowissenschaften bedeutet rezent aber „gegenwärtig (noch) lebend, auftretend und sich bildend“.  Demnach sind „fossil“ und „rezent“ ausschließlich zeitliche Merkmale, ohne damit eine Aussage über die Erneuerbarkeit zu machen. Fossil als zeitliches Merkmal ist auch in anderen Wissenschaften gebräuchlich, wie z.B. in der Hydrologie. So wird z.B. Tiefenwasser, das vom Wasserkreislauf abgeschnitten ist, häufig als „totes“, „stagnierendes“ oder eben als „fossiles“ Wasser bezeichnet.

Wir können also unterscheiden:

  • „Fossil“ und „rezent“ sind rein zeitliche Merkmale von Energieträgern.
  • Fossile Energievorräte können als Energievorräte definiert werden, die in geologisch vergangenen Zeitaltern durch natürliche Prozesse gebildet wurden.
  • Rezente Energievorräte können als Energievorräte definiert werden, die in gegenwärtigen Zeiten durch natürliche Prozesse gebildet werden.

Damit stellt sich die Frage, worin sich dann im Kern die Nutzung von Kohle und von Sonne unterscheiden. Dies führt uns zu der nächsten Grundunterscheidung, dem Begriffspaar „Vorrat“ vs. „Quelle“. Darum wird es dann in meinem nächsten Blogbeitrag gehen.

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